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Sobald ich mit andern außerhalb meines guten Bekanntenkreises zusammenkomme, kommt es mir vor, als hätte ich es mit Robotern zu tun. Jeder zieht sein Ding durch, ist, wenn nicht in seine Gedanken, dann in ein Handy-Gespräch vertieft. So oder so nicht hier, sondern irgendwo. Umgeben von lauter Blasen, die es nicht einmal dann bemerken würden, wenn man tot umfiele, fühle ich mich einsamer als wenn ich irgendwo auf einer menschenleeren Wiese säße.
Ich erzähle einem Bekannten, was mir am Herzen liegt. Er sitzt neben mir und ich spreche in den blühenden Busch mir gegenüber, vor der Terrasse. Es fällt mir schwer zu reden, denn es geht um etwas Persönliches. Deshalb schaue ich ihn nicht an, sondern rede zu den dunkelroten Kelchen, die aus den schweren Zweigen quellen. Als ich fertig bin, warte ich auf eine Reaktion. Es dauert ein wenig, dann erzählt er etwas. Irgendetwas, das ihn bewegt. Meine Sätze haben nur die Bienen gehört, die sammelnd von Blüte zu Blüte taumeln. Ich werde meine Geschichte nicht wiederholen. Wozu auch.
Ich brauche Rat zu einem technischen Problem. Genauer: Es geht um das Content-Management-System, mit dem ich eine Internet-Site verwalte. Zum Glück gibt's Google, den ich in den Äther schicke. Vollbeladen mit ein paar Tausend Antworten kommt er nach wenigen Millisekunden zurück. Ich wähle ein Forum, registriere mich, verfasse das Post. Jetzt heißt es einfach warten. Zum Glück kann ich einstweilen etwas anderes tun. Doch es geht schnell, zeigt mir ein Mail. Ich betrete das Forum, zwei Antworten. Meine Frage war präzise gestellt: ich würde das System So-und-So verwenden und hätte an einem bestimmten Punkt ein Problem, zu dem mir keine Lösung einfiele. Erste Antwort: Warum verwendest du denn dieses System? Verwende doch ein anderes. Zweite Antwort: Brauchst du diesen Punkt denn überhaupt? Das macht doch keiner so ... Ich bin stinksauer. Egal ob Foren oder Facebook, nein eigentlich überall: kein Schwein hört zu, jeder möchte nur seinen eigenen Müll loswerden.
Gestern war ich in der Stadt. In einer Straße stand ein Auto, aus dessen Fenster sich der Fahrer mit jemandem unterhielt. Das wäre ja nicht schlimm, im Gegenteil. Nur stand der Herr so in der Mitte der Gasse, dass ich weder rechts noch links vorbeikonnte. Als ich nach zwei Minuten zaghaft hupte und deutete, ob er nicht etwas weiter zu einer Seite fahren wolle, ließ er eine Schimpfkanonade auf mich los. Wieder auf einer breuiteren Straße stand auf einer Kreuzung ein Auto und wartete auf ein Nachlassen des Gegenverkehrs, um links abbiegen zu können. Der Wagen stand mitten auf meiner Spur und die Kolonne hinter mir war bereits beträchtlich geworden. Ich weiß nicht, ob man heute noch lernt, in einem solchen Fall in die Mitte zu fahren, wo man sogar ein wenig auf der Gegenspur stehen kann. Hauptsache, der Verkehr staut sich nicht hinter einem, sondern kann vorbeifahren.
Manchmal komme ich mir so vor, als ob überhaupt niemand mehr bemerkt, dass es rundherum auch noch andere Wesen gibt, die, ebenfalls zweibeinig unterwegs, auch Probleme haben, ein Recht auf ein Miteinander und ab und zu den Wunsch, gehört zu werden.
Auf Fragen bekomme ich oft keine Antwort, sondern eine beliebig dahingesagte Aussage, die mit der Thematik manchmal nicht einmal in einem entfernten Zusammenhang steht. Dann kommt es mir so vor, als ob jeder nur sich selbst und sein aktuelles Ziel sieht, gerade das ausspuckt, was in ihm drin ist und gar nicht mitbekommt, dass und vor allem was um ihn herum vor sich geht.
Ich glaube, wenn wir uns nicht sehr ernsthaft darum bemühen zu hören, werden wir wenig Chancen haben, unser Leben angenehm zu gestalten.
Nicht nur meinem gegenüber zuhören, sondern auch mir selbst. Zum Beispiel meinem Körper, diesem treuen Reittier. Und auch dem, was tiefer drinnen spricht, leise, schwer hörbar. Ja, wie sollen wir das auch alles hören, wenn wir es zumehmend verlernen?